Als Heinrich Faust im wohl bekanntesten deutschsprachigen Theaterstück „Faust. Der Tragödie erster Teil“ von Johann Wolfgang Goethe die Wette mit Mephisto eingeht, schlägt der nach absoluter Erkenntnis strebende Wissenschaftler mit der Gewissheit ein, niemals zur Ruhe zu kommen und Mephistos Versuchungen zu widerstehen. Dass ihm Gretchen begegnen wird, weiß Faust zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Und auch die Schüler*innen des 12. Jahrgangs erfahren dies an diesem Donnerstagvormittag nicht – zumindest nicht vermittelt durch die Darbietung des Lehrers und Schauspielers Armin Lücke, der in gut zwei Stunden (!) lediglich die so genannte Gelehrtentragödie spielt, in der die Wette zwischen Faust und Mephisto der beginnenden Reise der beiden und der Begegnung mit Gretchen die Bahn ebnet.

Ob als gequälter, verzweifelter Faust – zur Verdeutlichung des Zwei-Seelen-Konflikts die eine Hand schwarz behandschuht, die andere blank und weiß -, als listenreicher, triebgesteuerter Mephisto oder als alternder Herr, der über seine Schäfchen wacht und in ihnen die Fähigkeit zur Erkenntnis des Guten sieht: Dem Ein-Mann-Betrieb Lücke gelingt in der Verbindung und Abgrenzung der Rollen ein beeindruckendes Spiel, so dass man sich am Ende fragt: Wie viel Mephisto steckt eigentlich in Faust?

Im anschließenden Gespräch zeigen sich die Schüler*innen fasziniert vom Changieren zwischen 17 verschiedenen Rollen und fragen, wie Armin Lücke auf die Idee gekommen sei, den „Faust“ als Ein-Mann-Stück zu inszenieren. Neben persönlichen Beweggründen und der Bedeutung des Werks für die deutsche Kulturgeschichte sei es auch Anlass gewesen, dass das Werk auf der Liste der Abiturthemen für die Jahre 2021 und 2022 steht und das Thalia-Theater seine Inszenierung nicht mehr spiele. Zur Auseinandersetzung mit der eigenen und mit kultureller Identität wolle er es den Schüler*innen näherbringen.

Möglich wurde dies an unserer Schule dank des Engagements von Theaterfachleiterin Frau Dr. Larink, die in minutiöser Vorbereitung mit den Schüler*innen von KANTevent unter der Leitung von Kevin Kroll einen beeindruckenden Theatervormittag auf die Beine gestellt hat.

Ihnen und Armin Lücke sei herzlich gedankt!

Bilder: Raphael von KANTevent