„Geschichte kennt kein letztes Wort.“
(Willy Brandt)

Wer schaut schon zurück angesichts einer sich immer rasanter entwickelnden, stetig nach Neuem strebenden Welt, in der schon die Gegenwart weitgehend ihre Relevanz eingebüßt hat? Was zählt, ist doch die Zukunft! Doch vielleicht verlangt gerade die schnelllebigste Zeit ein Innehalten. Vielleicht muss, wenn alle die Frage „Was wird morgen sein?“ stellen, unbedingt jemand zurückfragen: „Wie ist denn das Heute überhaupt entstanden?“

Geschichte ist nicht nur Vergangenes, Geschichte ist die Verknüpfung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Um Lehren aus der Geschichte zu ziehen, müssen wir immer wieder auf Vergangenes zurückzublicken, kritisch urteilen und werten.

„Aus der Geschichte lernen“ ist eine viel zitierte Forderung und in erster Linie eine Herausforderung. Denn wie macht man das, aus der Vergangenheit lernen? Genau diese Kompetenz zu vermitteln, ist eine der wichtigsten Aufgaben des Faches Geschichte. Der Geschichtsunterricht soll die Schüler*innen nicht nur dazu befähigen, vergangene Entscheidungen und Prozesse nachzuvollziehen, sondern auch ihre Auswirkungen auf unsere Gegenwart und unsere Zukunft zu verstehen.

Gerade in Zeiten, in denen Kinder und Jugendliche täglich mit Fake-News und Verschwörungstheorien konfrontiert werden, ist es von immenser Bedeutung Schüler*innen dazu zu befähigen, Dinge kritisch zu hinterfragen und differenzierte Urteile zu fällen. Die dafür nötigen Kompetenzen werden in der Sekundarstufe 1 und 2 sukzessive aufgebaut, erweitert und vertieft.

Die Zeiten, in denen Geschichtsunterricht vornehmlich aus der Lektüre endloser Darstellungstexte bestand, sind glücklicherweise vorbei. Geschichtsunterricht heißt zunächst einmal: Fragen an die Vergangenheit stellen und diese durch kritische Untersuchung von Textquellen, Fotografien, historischen Reden und unzähligen anderen historischen Quellen selbst zu beantworten. Wie konnten die Ägypter vor über 4000 Jahren Bauwerke errichten, die uns heute noch staunen lassen? Wie entstand eigentlich die Demokratie? Wie entstanden die ersten Städte? Warum starben in Südamerika innerhalb weniger Jahre mehr als 20 Millionen Menschen? Wieso ziehen Menschen freiwillig in den Krieg? Wann, wo und warum wurden „Hexen“ verfolgt?

Statt einfach nachzulesen, wie es war (und sich blind darauf zu verlassen, dass es stimmt), bedeutet heutiger Geschichtsunterricht kritische Detektivarbeit, um sich die Lösung – wie ein Puzzle – selbst zusammenzusetzen. Hinweise sammeln, Daten auswerten, Informationen verknüpfen, logische Schlussfolgerungen ziehen, Glaubwürdigkeit beurteilen, fremde Perspektiven einnehmen und zuletzt: begründete Urteile fällen. Diese Urteile sind nicht unveränderlich und sind beeinflusst von dem Hier und Jetzt. Geschichte ist nie ‚zu Ende‘, sie kennt eben kein letztes Wort.